[Kirchenkreis Moers / Grafschafter Diakonie] Kinder, die nicht das Glück hatten, in ihrer Entwicklung viele gute Erfahrungen zu sammeln, holen diese jetzt an der Moerser Annastraße nach. „Wir begleiten Euch, stärken Eure Wurzeln und versuchen, Euch Flügel zu geben“, begrüßte Kai Garben, Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie, in Anlehnung an die bekannten Worte des Dichters Goethe, erst die Kinder, dann die Gäste. Seit September 2022 ist die neue heilpädagogische Tagesgruppe der Kinder- und Jugendhilfe der Grafschafter Diakonie das ganze Schuljahr hindurch von Montag bis Freitag zwischen 11.30 und 16.30 Uhr geöffnet. Jetzt feierte die Einrichtung für Kinder mit besonderem Förderbedarf ihre offizielle Eröffnung. Zur Feier waren außer den Kindern und ihren Betreuenden Vertretende der Jugendämter der umliegenden Kommunen sowie der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats der Grafschafter Diakonie gekommen. In Moers fehlte bislang eine derartige Einrichtung für Mädchen und Jungen, die an den Nachmittagen eine individuellere Begleitung benötigen, als dies an ihren Schulen möglich ist. „So konnten wir den Bedarf hier in Moers in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erarbeiten und die Lücke schließen“, erläutert Andrea Maj, Fachbereichsleiterin der stationären und teilstationären Jugendhilfe der Grafschafter Diakonie, den Hintergrund der Entstehung.
In der Tagesgruppe gestalten sechs Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren mit einem Team aus fünf Pädagoginnen ihren Alltag. Sie haben mit sozialen und emotionalen Schwierigkeiten zu kämpfen und tun sich z.B. schwer, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren oder es fällt ihnen nicht leicht sich in eine Gruppe zu integrieren und Grenzen zu erkennen. „In der Schule oder der Offenen Ganztagsbetreuung wurden sie daher oft ausgegrenzt und haben Enttäuschungen und Misserfolge hinter sich“, weiß Gruppenleiterin Ewa Schwarzbach. Der Tagesablauf beinhaltet ein gemeinsames Mittagessen und eine intensive Lern- und Hausaufgabenbetreuung mit anschließendem freizeitpädagogischem Angebot. „Mit allem, was wir hier tun, wollen wir erreichen, dass sich die Kinder zu kompetenten und selbstständigen Persönlichkeiten entwickeln können“, sagt die Gruppenleiterin.
Was geschieht, bestimmen die Kinder daher mit. Sie arbeiten zum Beispiel einen Menüplan für die Woche aus, sodass jeder einmal sein Lieblingsgericht auf dem Teller findet. In täglich wechselnden Zweier-Teams rühren, schälen und schnippeln sie. Alle zusammen essen anschließend am selbst gedeckten Tisch. Auch den Mülldienst übernehmen die Kinder. „Hier im geschützten und überschaubaren Rahmen haben sie gute Fortschritte gemacht“, freut sich die Gruppenleiterin. So habe es Kinder gegeben, die bislang kaum frisches Gemüse kannten und nun zu Fans des selber Geschnippelten wurden. Auch in punkto Eigeninitiative trägt die Arbeit des Pädagoginnenteams Früchte. Die Kinder kamen z.B. auf die Idee, einen Dankesbrief an den Hausmeister zu schreiben oder gestalteten ein Erfolgsboard, auf dem jeder und jede seine erreichten Ziele eintragen oder das Zertifikat zur bestandenen Fahrradprüfung und den Füllfederführerschein aus der Schule anpinnen kann.
Zusätzlich stehen die Pädagoginnen in engem Kontakt mit den Familien und führen Gespräche mit Lehrenden und Eltern. Aus diesen Gesprächen weiß Ewa Schwarzbach, dass die Kinder die Tagesgruppe gerne besuchen. „Und wir erleben sie hier als ruhigerer Kinder, die kreativ sind und gerne Verantwortung übernehmen.“ Die Tagesgruppe ist wie ein zweites Zuhause gestaltet, mit Wohnzimmer, Kreativzimmer, Küche, Werkstatt im Untergeschoss sowie einem Garten mit Klettergeräten und selbst gepflanzten Blumen. Kostenträger für die Tagesplätze ist das Jugendamt der Stadt, in der die Kinder leben. „Der Bedarf ist leider sehr hoch, sodass wir bereits eine zweite Gruppe planen“, sagt Ramona Görsch, Geschäftsbereichsleiterin Kinder- und Jugendhilfe bei der Grafschafter Diakonie.
Info: Ein Fahrdienst holt die Mädchen und Jungen nach dem Unterricht an ihrer jeweiligen Schule ab und bringt sie am Nachmittag wieder nach Hause. Um die Kontinuität der Begleitung sicherzustellen, findet mit Ausnahme der Weihnachtspause in allen Schulferien ein gemeinsames Ferienprogramm statt. In diesen Sommerferien backte die Gruppe z.B. schon Zimtschnecken, ging im Schlosspark Frösche beobachten, in die Bücherei lesen oder unternahm eine "Weltentdeckertour" mit einem Schiff.