[Kirchenkreis Moers / Grafschafter Diakonie] Vergessene Sorten wie der ewige Kohl, Exoten wie die japanische Petersilie, außerdem Himbeer-Spinat, Safran, duftendes Currykraut oder der weniger bekannte Wildsalbei. Dazu Leckeres wie die Karamellbeere, Plattpfirsiche vom Baum, leuchtende Kapuzinerkresse aus dem Hochbeet und die Minipaprika, die im Gewächshaus gedeiht – einen „Naschgarten für die Seele“ haben Bewohnerinnen und Bewohner und Mitarbeitende der Grafschafter Diakonie, dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis Moers, an der Moerser Walpurgisstraße geschaffen. Es wächst allerhand in der Außenanlage der dortigen Einrichtung, in der junge Eltern, Jugendliche und Erwachsene mit Entwicklungsbedarf im sozialen und emotionalen Bereich sich in eigenen Wohnungen darauf vorbereiten, wieder ein selbstständiges Leben zu führen. „Die Kräuterpädagogik hat sich dabei zu einer wichtigen Säule in unserer Arbeit entwickelt und wir und unsere Klienten wollen nicht mehr darauf verzichten“, sagt Andrea Maj, die als stellvertretende Leiterin für den Jugendbereich der Einrichtung zuständig ist.
Die Idee zum Projekt entstand im Jahr 2019. Mitarbeiterin Katja Scharf hatte sich neben ihren Aufgaben bei der Grafschafter Diakonie zur Kräuterpädagogin Bildung mit Nachhaltiger Entwicklung (BNE) weitergebildet und das neue Angebot bei den Bewohnerinnen und Bewohnern publik gemacht. „Wir haben mit zwei oder drei Interessierten begonnen“, erinnert sie sich. Doch die Fangemeinde wuchs rasch. „Ich bin gerne draußen im Garten und tue etwas. Das tankt meine Seele auf“, beschreibt Bewohnerin Janna Spengler ihre Erfahrung. Inzwischen ist Scharf dreimal die Woche in Form einer Eins-zu-Eins-Begleitung im Einsatz. Z.B. nimmt Kräuterpädagogin Katja Scharf Bewohner, die mit starken Emotionen kämpfen, mit in das Gewächshaus. Die Chilischoten können einen therapeutischen Skill-Effekt bewirken. Durch den Reiz der Schärfe beim Kauen der kleinen Frucht können belastende Gefühlszustände reguliert werden. „Wir sprechen gezielt Bewohner an, bei denen es Bedarf gibt, die sich zum Bespiel stark zurückgezogen haben oder in einer seelischen Krise sind. Was wir dann machen, stimmen wir auf ihr aktuelles Befinden ab“, sagt Anna-Katharina Soblik, die den Erwachsenenbereich der Abteilung „Besondere Wohnformen“ leitet.
Neben dem therapeutischen Nutzen geht es im Garten vor allem um Freude: „Ziel ist es, den Blick von den Sorgen auch auf die schönen Dinge lenken zu können“, sagt Katja Scharf. Zudem stellt die Kräuterpädagogin regelmäßig Workshops auf die Beine. Aus gemeinsam geernteten Früchten und Kräutern werden erfrischende Limonaden und leckere Smoothies kreiert. Bei der Teeernte für die Seele wird zusammen nach schmackhaften Zutaten für ein wohltuendes Warmgetränk gesucht. Oder es werden Samenbomben hergestellt und Wasserstellen für Vögel und Insekten geschaffen. Ein Sandarium ist ebenfalls entstanden. „So bekommen die Bewohner einen Bezug zur Natur, ein Bewusstsein für gute Ernährung und erfahren, wie sie ihr Wohlbefinden selber fördern können.“
Info: 12 Jugendliche, junge Erwachsene und junge Mütter und Väter im Alter von 16-27 Jahren leben an der Walpurgisstraße 14-32 in eigenen Wohnungen zusammen. In der Einrichtung leben derzeit 9 Kinder. Außerdem haben an der Walpurgisstraße 13 Erwachsene von 29 bis 74 Jahren mit seelischer Behinderung ihr Zuhause. Zusammen mit den Fachkräften der Grafschafter Diakonie verbessern sie ihre Selbstständigkeit und ihre Alltagskompetenz. Ziel der Bewohnerinnen und Bewohner ist es, trotz der eigenen Behinderung oder seelischen Erkrankung so viel Selbstständigkeit wie möglich zu erreichen. Das tägliche Leben trainieren sie daher so realitätsgetreu wie möglich.