Diakonie Dinslaken startet Aktionsjahr gegen Kinderarmut

„Ohne Geld bin ich traurig und streite mit meiner Mutter.“ Oder: „Bevor die Schule anfängt, stelle ich mich bei der Tafel für Obst an.“ Oder schlicht: „Ich friere immer so.“ Drei einer Reportage entnommene Zitate von Kindern in Armut. Sie stehen im Zentrum einer Kampagne zum Auftakt des Aktionsjahrs „Kein Kind in Armut“ der Diakonie im Evangelischen Kirchenkreis Dinslaken, das der Forderung nach einer Kindergrundsicherung Nachdruck verleihen soll.

„Wir würden uns freuen, wenn sich die Idee wie ein Schneeballsystem fortsetzt“, sagt Alexandra Schwedtmann, Geschäftsführerin der Diakonie im Kirchenkreis Dinslaken. Armut soll sichtbarer werden und so ein Umdenken und eine Haltungsänderung bewirken. „Dann wird es leichter, Mehrheiten zu finden“ – Mehrheiten für eine Kindergrundsicherung, die von Schwedtmann vor allem gefordert wird, weil sie aus ihrer Sicht eine gebündelte Unterstützung wäre, wo derzeit viele Einzelhilfen nur verstreut bis versteckt und mit teils großem bürokratischen Aufwand zu erhalten seien.

Kinderzeichnungen illustrieren die Kinderzitate

Der Auftakt nutzt wie schon die Kampagne „Menschenskirche“ vor zwei Jahren die besonderen Plakatierungsmöglichkeiten nach einem Wahlkampf. Diesmal haben die Grünen der Diakonie noch für zwei Wochen sieben Großplakatwände im Stadtgebiet überlassen. Rückt ihr Abbau näher, wird die Plakataktion mit weiteren Motiven an 17 Litfaßsäulen fortgesetzt. Auch Kindergärten und Kirchengemeinden werden mit den augenfälligen Plakaten ausgestattet. Ihnen allen ist eigen, dass das jeweilige Zitat durch eine Kinderzeichnung illustriert wird. Julia Benning und Guido Meyer vom Netzwerk Ziele und Zeichen, die auch schon die Kampagne „Menschenskirche“ konzipiert hatten, war es wichtig, sich „nicht vorwurfsvoll und mit dem moralischen Zeigefinger“ (Julia Benning) an die Öffentlichkeit zu wenden. „Wir gehen von den Kindern aus“, sagt Guido Meyer, „und gucken uns an, wie es den Kindern geht.“

Armutsforscher Christoph Butterwegge bei Fachtag dabei

Bei Plakaten allein wird es aber nicht bleiben. Ende Mai folgt zunächst ein Fachtag für alle Diakonie-Mitarbeitenden, bei dem der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge, der 2017 für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, einen Vortrag halten wird. Der Tag soll, so Alexandra Schwedtmann, dazu dienen, „uns zunächst intern auf eine Haltung zu verständigen“. Später ist ein Symposium für Multiplikatoren wie für interessierte Laien vorgesehen, das von Studierenden der Sozialen Arbeit an der niederländischen Saxion Hogeschool vorbereitet wird. Und im Herbst startet in Kooperation mit der Evangelischen Akademie im Rheinland eine Vortrags- und Diskussionsreihe, zu der unter anderem auch der frühere rheinische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider erwartet wird.

Fair produzierter Hoodie und Aktionsplan an der Kita

Aber auch Kinder und Jugendliche selbst sind eingebunden. So gestalten Kunstschüler des Mercator-Gymnasiums in Duisburg mit Unterstützung des Teams der Düsseldorfer Textilfirma Boldbrands einen fair produzierten Hoodie als öffentliches Statement gegen Kinderarmut. Der Erlös fließt an finanzschwache Kinder. Und stellvertretend für die Evangelische Kinderwelt im Kirchenkreis setzt die Dinslakener Kita am Park einen Aktionsplan für armutssensibles Handeln um. So wird zum Beispiel bei Geburtstagen auf mitgebrachten Kuchen und Geschenktütchen verzichtet, sondern in der Einrichtung ein Kuchen mit dem Kind gebacken. Räumlichkeiten für die Geburtstagsfeier können zur Verfügung gestellt werden. Und kein Kind bringt eine Brotdose mit, sondern es gibt in der Kita ein Frühstücksbuffet. Es gehe nicht darum, Gleichheit vorzugaukeln, „sondern die Kita als Raum zu nutzen, um Teilhabe zu leben“, sagt Pfarrerin Susanne Jantsch, Assessorin im Kirchenkreis Dinslaken.

2,8 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut

„Kinder sind ein Armutsfaktor in Deutschland“, beklagt Sozialarbeiterin Schwedtmann. „Aber ich will, dass sie in dieser Gesellschaft willkommen sind.“ 2,8 Millionen Kinder in Armut sind für sie nicht etwa Beleg dafür, dass die betroffenen Familien selbst schuld an ihrer Lage sind, sondern „dass viele Kinder mit schlechteren Chancen starten“. Zur Linderung würden in dieser Gesellschaft zwar viele soziale Pflaster geklebt. „Aber wir wollen, dass gar kein Verbandskasten mehr notwendig ist.“

  • 18.5.2022
  • Ekkehard Rüger
  • Ekkehard Rüger, Diakonie im Evangelischen Kirchenkreis Dinslaken