[Kirchenkreis Moers / Grafschafter Diakonie] Einen Stadtbummel mit Shopping unternehmen. Sich zum Bier mit den Kumpels treffen. Oder die Lieblingsmusik laut stellen und für eine Stunde darin versinken – das sind Beispiele dafür, was bei den Seniorinnen und Senioren im „Haus für Jung und Alt“ seit dem Einzug ins Pflegeheim auf der geheimen To-Do-Liste steht. Auf die Suche nach diesen verborgenen Wünschen und den Möglichkeiten für ihre Umsetzung machten sich zwölf Mitarbeitende der Einrichtung im April 2021. In diesem Monat startete das Projekt „See me“ EU-weit in Pflegeeinrichtungen aus Deutschland, Belgien, Italien, Spanien und den Niederlanden. In Deutschland wählten die Macher des ERASMUS-Programms die Grafschafter Diakonie als Partner für die Pilot-Maßnahme.
Ziel ist es, Momente zu schaffen, die die Lebensqualität im Alter fördern und das Gefühl stärken, dass das eigene Leben bedeutsam ist. „Es geht darum, den Menschen abseits des Pflegebedarfs und der alltäglichen Freizeitgestaltung noch mehr sehen zu lernen, den Fokus auf seine sinngebenden und sozialen Bedürfnisse, Talente und Interessen zu richten und darauf zu achten, dass jeder sich einbringen und mitgestalten kann“, sagt Sozialpädagogin Anna Bastian, die das Projekt zusammen mit Fachberater Albert Sturtz begleitet. Bis November 2022 trainierten die Fachkräfte dafür. „Wir haben bewusst in allen Arbeitsbereichen gefragt, ob jemand teilnehmen möchte. Denn jeder ist auf eine andere Art mit den Senioren in Kontakt“, sagt Bastian. So kam bei den Schulungen eine multiprofessionelle Gruppe zusammen. Mitarbeitende aus der Verwaltung und der Essensausgabe waren dabei. Genauso wie Fachkräfte aus der Pflege, vom Sozialen Dienst und der Leitung der Einrichtung.
Um den Bedürfnissen ihrer Bewohnenden noch mehr auf die Spur zu kommen, nahmen sie zuerst ihre eigenen Wünsche in den Blick: Was macht für mich gute Arbeit aus? An welchen Stellen leiste ich sie bereits und welche Möglichkeit habe ich darüber hinaus noch während der täglichen Aufgaben auf die Senioren einzugehen? „Das Projekt regt dazu an, auch die eigenen Stärken und die Wichtigkeit aller Arbeitsbereiche anzuerkennen“, erklärt Bastian. Das habe im Team für einen Motivationsschub gesorgt. „Viele berichteten, dass sie intensiv über das Gelernte nachdachten und Ideen sammelten, was getan werden kann.“
Einige davon wurden noch vor dem Abschluss des Pilotprojekts umgesetzt. So gibt es im „Haus für Jung und Alt“ jetzt einen „Dämmerschoppen“, bei dem alle die möchten, wie früher, auf ein Glas Bier zusammenkommen können. Die Mitarbeitenden organisierten einen Stadtbummel in die Moerser City und eine Fachkraft brachte eine Music-Box mit zur Arbeit. Ein Senior-Musik-Fan ließ sich zusammen mit ihr von den Klängen seiner Lieblings-Rockband mitreißen. Eine zusätzliche Dienstbesprechung wurde geschaffen, bei der alle zusammen darüber nachdenken, wie sie den Senioren und ihren Wünschen noch näher kommen können. Demnächst sollen alle 54 Mitarbeitende des Seniorenheims die „See me“-Schulung erhalten. Thorsten Krüger, der als Geschäftsbereichsleiter Pflege für die Seniorenheime der Grafschafter Diakonie zuständig ist, zur weiteren Perspektive. „Wir arbeiten an einem Konzept, das das Projekt auch für andere Pflegeeinrichtungen nutzbar macht.“
Foto: (v.l.) Thorsten Krüger, Geschäftsbereichsleiter Pflege (Grafschafter Diakonie), Anna Bastian und Albert Sturtz, Projektleitung „See-me“ (Grafschafter Diakonie)