Evangelische Kirche in Polen ermöglicht Ordination von Frauen

Die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen hat jetzt den Weg für die Ordination von Frauen frei gemacht: Die Synode hat für die Zulassung von Pfarrerinnen gestimmt. Barbara Rudolph, Oberkirchenrätin und Leiterin der Abteilung 1 – Theologie und Ökumene, pflegt selbst den Kontakt zur Partnerkirche und spricht im Interview über die Entwicklung.

Der polnische Staat stand zuletzt in der Kritik, weil er Gleichberechtigung in vielen gesellschaftlichen Bereichen eher verhindert als begünstigt hat. Wie wichtig ist in diesem Umfeld jetzt dieses Zeichen für Gleichberechtigung?

Barbara Rudolph: Der Schritt der polnischen Partnerkirche, sich für die Ordination von Frauen auszusprechen, ist ein deutliches Zeichen für die Bedeutung, die die Kirche Frauen in Kirche und Gesellschaft gibt – und in seiner Wirkkraft nicht zu unterschätzen. In Polen sind die Lutheraner eine kleine Minderheit (62.000 Mitglieder bei fast 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern). Die große römisch-katholische Kirche und die orthodoxe Kirche lassen nur Männer zum geistlichen Amt zu. Hier geht die Evangelisch-Lutherische Kirche nun bewusst einen eigenen Weg, der nicht im gesellschaftlichen Mainstream Polens liegt. Es zeigt, wie wichtig ökumenischer Austausch und die Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa sind.

Bischof Jerzy Samiec ist leitender Geistlicher der Evangelisch-Augsburgischen Kirche Polens. Foto: Ralf Peter Reimann

Die Evangelische Kirche im Rheinland hat den Prozess hin zur Ordination von Frauen in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen begleitet. Wie sah der Prozess bis jetzt aus?

Rudolph: Es war ein langer Weg der evangelischen Kirche in Polen zur Frauenordination, der in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begonnen hat. Vor allem die Frauen im Gustav-Adolf-Werk, das sich für die kleineren evangelischen Kirchen in anderen Ländern einsetzt, haben zu den Theologinnen und Frauen in der polnischen Kirche den Kontakt gepflegt. Als unsere Kirchenleitung vor einigen Jahren Polen besucht hat, haben wir gezielt das Gespräch mit ausgebildeten Theologinnen gesucht, die noch nicht als Pastorinnen ordiniert wurden. Eine junge Freiwillige aus dem Rheinland hat danach ein halbes Jahr in Warschau die Kirche bei einer ökumenischen Umfrage zur Frauenordination unterstützt. Der polnische leitende Geistliche, Bischof Jerzy Samiec, hat sich über lange Zeit dafür eingesetzt, dass seine Kirche zu einer Entscheidung kommt. Auf Synoden und im persönlichen Austausch haben wir die Kirche begleitet, aber nie bedrängt. Schon lange war die Mehrheit der Synode in Polen für die Ordination der Frauen, aber es fehlte die Zweidrittelmehrheit für die Änderung der Verfassung. Am vergangenen Samstag um kurz vor 22 Uhr hat mich dann die euphorische Nachricht meines polnischen Kollegen erreicht, dass die Synode mit der Zweidrittelmehrheit die Zustimmung zur Ordination gegeben hat.

Der Altarraum der Trinitatiskirche in Warschau. Foto: Ralf Peter Reimann

Die Erlaubnis zur Ordination von Frauen ist das eine. Aber wie sieht es mit der Praxis aus? Stehen in Polen schon viele Frauen bereit, die diesen Schritt ab Januar auch gehen wollen?

Rudolph: Frauen, die Theologie studiert haben, gibt es in der polnischen evangelischen Kirche. Sie warten schon lange ungeduldig darauf, dass die Ordination möglich wird. Als Diakoninnen haben sie Gemeindearbeit in den vergangenen Jahren übernommen. Deshalb wird es für die Gemeinden keine allzu große Umstellung sein. Sicher wird es manche praktischen Fragen zu klären geben, insbesondere, wenn beide Ehepartner eine Pfarrstelle suchen. Aber schon lange sind die theologischen Fragen geklärt und die polnische Kirchenleitung geht davon aus, dass die Einführung der Frauenordination vergleichsweise unaufgeregt ablaufen wird. Bei meinem letzten Besuch in Warschau habe ich selbst in einem Festgottesdienst gepredigt. Die polnische Kirche war eine der letzten evangelischen Kirchen in Europa, die noch keine Ordination der Frauen vorsah. Aber es ist gut, dass sie ihren eigenen Weg gehen konnte, auch wenn der Beschluss für viele überfällig war. Die Evangelische Kirche im Rheinland freut sich mit den Frauen – und Männern – in Polen über diese historische Entscheidung.

  • 20.10.2021
  • Aaron Clamann
  • Red. , Ralf Peter Reimann