Präses Rekowski zieht Bilanz zur ökumenischen Großwetterlage

Die Kirchen bilden nach den Worten des rheinischen Präses Manfred Rekowski eine „ökumenische Haftungsgemeinschaft“: Der Vertrauensverlust durch die Zurückhaltung eines Missbrauchsgutachtens im Erzbistum Köln treffe auch die Protestanten, sagte er. Das Abendmahl bleibe leider vorerst ein Zeichen der konfessionellen Trennung. Im Rückblick auf seine achtjährige Amtszeit als Präses, die im März endet, sieht der 63-Jährige aber auch Fortschritte wie Kooperationen beim Religionsunterricht oder bei Gebäudenutzungen.

Wenn in wenigen Wochen Ihre Amtszeit als rheinischer Präses endet, blicken Sie auf acht Jahre Mit- und Nebeneinander von katholischer und evangelischer Kirche zurück. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Ökumene?

Manfred Rekowski: Die ökumenische Großwetterlage ist derzeit nicht frei von Enttäuschungen. Ich denke insbesondere an die Frage einer Mahlgemeinschaft von Katholiken und Protestanten. Hier lag ja der Vorschlag auf dem Tisch, sich wechselseitig zum Abendmahl einzuladen: Die Teilnahme von Protestanten an der katholischen Eucharistie und von Katholiken am evangelischen Abendmahl sollte möglich sein, ohne dass konfessionelle Unterschiede geleugnet werden. Diese Idee des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) wurde jedoch vom Vatikan rigoros abgelehnt. Das sorgte für Frustration, zumal selbst der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den theologischen Argumenten vermisste. Jetzt herrscht wieder eine gewisse Ratlosigkeit.

Das Abendmahl bleibt also vorerst ein Zeichen der Trennung der beiden großen Kirchen?

Rekowski: Aktuell ist das so. Ich bedauere diese Situation außerordentlich, auch weil ich den ÖAK-Vorschlag für einen sehr klugen Versuch halte, das Prinzip der Einheit in versöhnter Verschiedenheit anzuwenden. Es ging darum, auf Basis der biblischen Tradition Brücken zu bauen.

Abgesehen vom Abendmahl – wie fällt Ihre Ökumene-Bilanz der letzten acht Jahre aus?

Rekowski: Es gab zwar nicht unbedingt Sprünge nach vorne. Wir waren aber mit den Bistümern beharrlich und kontinuierlich im Gespräch und sind dabei weitergekommen, etwa im Blick auf Strukturfragen wie pastorale Versorgung und Kooperationen bei der Gebäudenutzung. Mit fast allen Bistümern in unserem Gebiet haben wir Vereinbarungen über eine ökumenische Zusammenarbeit geschlossen. Derzeit wird erörtert, wie eine Kirche bestimmte Aufgaben auch stellvertretend für die anderen wahrnehmen kann. So wollen wir in Wuppertal – im Erzbistum Köln – bei der Friedhofsverwaltung zusammenarbeiten. Hier ist Spezialwissen gefordert, das man nicht zweimal vorhalten muss. Das ließe sich durchaus in anderen Bereichen fortsetzen.

Gab es auch Entwicklungen jenseits der evangelisch-katholischen Zusammenarbeit?

Rekowski: In meine Amtszeit fällt auch die sogenannte ökumenische Visite: Wir haben Christinnen und Christen aus anderen Teilen der Erde – darunter auch katholische Geschwister – zu uns eingeladen und sie um Feedback zu unserer Arbeit und unserer Situation gebeten. Dieser Blick von außen war ausgesprochen hilfreich bei der Weiterentwicklung unseres kirchlichen Lebens. Ökumene ist immer auch eine Lerngemeinschaft.

Zu den Herausforderungen der Kirchen gehört auch die sinkende Mitgliederzahl mit Auswirkungen zum Beispiel auf den Religionsunterricht.

Rekowski: Um christlichen Religionsunterricht weiter anbieten zu können, haben die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen mit fast allen Bistümern Lösungen für einen konfessionell-kooperativen Religionsunterricht gefunden, der den Gemeinsamkeiten, aber auch den Unterschieden der Konfessionen gerecht wird. Derzeit laufen intensive Gespräche über ähnliche Regelungen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Das Erzbistum Köln beteiligt sich nicht an der Zusammenarbeit beim Religionsunterricht, weil es noch überall im Bistum genügend katholische Schüler gebe. Trifft Sie das?

Rekowski: Das gehört zu den ökumenischen Enttäuschungen. Dass wir mit dem Erzbistum Köln in Sachen konfessioneller Kooperation nicht weitergekommen sind, ist für mich nicht nachvollziehbar, weil die schulische Wirklichkeit in Köln nicht anders aussieht als in Essen. Fortschritte gibt es aber nur im Konsens, und wenn der nicht da ist, herrscht Stillstand.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki wird wegen schleppender Aufklärung des Missbrauchsskandals heftig kritisiert. Sie feiern am 20. Februar in Düsseldorf eine gemeinsame Passionsandacht mit ihm. Es gibt evangelische Stimmen, die dies als falsches Zeichen werten und stattdessen für eine Solidarisierung mit dem katholischen Kirchenvolk plädieren.

Rekowski: Die Tradition der gemeinsamen Andachten von Präses und Erzbischof zu Beginn der Advents- und der Passionszeit wurde von meinem Amtsvorgänger Nikolaus Schneider begründet – und zwar in einer Zeit, in der es zwischen ihm und dem damaligen Erzbischof Joachim Meisner in Sachfragen ordentlich knirschte. Beide waren sich aber einig, dass man trotzdem miteinander Gottesdienst feiern kann. Im Auf und Ab der ökumenischen Beziehungen mit diversen Erschütterungen – ich denke etwa an die Schrift „Dominus Jesus“, in der Papst Benedikt XVI. erklärte, die Protestanten seien „nicht Kirche im eigentlichen Sinn“ – wurden die ökumenischen Andachten stets weiter gefeiert. Ich finde das richtig. In einem Gottesdienst versammelt sich ja nicht die Gemeinschaft der Fehlerlosen, sondern eine Gemeinschaft der begnadigten Sünder.

Aus Ärger über Woelki treten in Köln allerdings auch Menschen aus der evangelischen Kirche aus.

Rekowski: Ich will nicht verhehlen, dass es so etwas wie eine ökumenische Haftungsgemeinschaft gibt. Den Vertrauensverlust durch den Umgang des Erzbistums Köln mit der Missbrauchsfrage spüren auch wir gerade sehr deutlich. Das ist belastend und ich hoffe auf eine baldige Klärung. Andererseits sehe ich keine Alternative zur Fortsetzung von Ökumene. Dabei sind wir natürlich auch mit Menschen an der Basis der katholischen Kirche im Gespräch.

Welches Signal soll denn von der gemeinsamen Andacht ausgehen?

Rekowski: Ich war schon immer ein Freund der Ökumene der Umkehr: Wir hören gemeinsam auf das Wort Gottes und lassen uns zur Umkehr rufen. Das wird in dieser Situation dringend gebraucht. Ein Gottesdienst ist kein unterstützendes Signal für kirchenpolitische Entscheidungen. Mir ist zwar Vieles schwer verständlich und nicht nachvollziehbar, aber davon habe ich nur beschränkte Kenntnis und das liegt auch auf einer anderen Ebene.

Sie haben also keine Sorge, dass die Andacht als Signal der Solidarisierung mit dem Agieren des Kölner Kardinals verstanden werden könnte?

Rekowski: Wie gesagt: Ein Gottesdienst ist keine Solidaritätsaktion. Ich werde in dem Gottesdienst aktiv mitwirken und sicherlich auf das hinweisen, was ich gerade schon sagte: Die Passionszeit ist eine Chance, sich von Gott etwas sagen und zur Umkehr rufen zu lassen. Da muss jeder auf sein Gewissen hören und das tun, was notwendig ist.

Hauptkritikpunkt an Woelki ist die Zurückhaltung eines Gutachtens, wie steht es da um Transparenz?

Rekowski: Ich kommentiere nicht die Vorgänge in der katholischen Kirche. Grundsätzlich finde ich aber, dass man sehr sensibel und verlässlich mit dem Thema Missbrauch umgehen und alles tun muss, was der Aufklärung dient. Was intransparent wirkt oder den Eindruck erweckt, es gebe nur ein beschränktes Interesse an Aufklärung, ist fatal.

Wie steht es um die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der evangelischen Kirche?

Rekowski: Das Thema Missbrauch betrifft auch die evangelische Kirche, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Wir beteiligen uns an der Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Hier untersucht ein unabhängiger Forschungsverbund Strukturen und Muster sexualisierter Gewalt und Missbrauchsformen. Das schafft die empirische Basis für weitere Aufarbeitung. Ich gehe davon aus, dass diese Studie in großer Transparenz öffentlich gemacht wird.

  • 17.2.2021
  • epd/Ingo Lehnick
  • EKiR/Eric Lichtenscheidt