Militärseelsorger: „Die Soldatinnen wissen, wen sie ansprechen können“

Die Bundeswehr unterstützt mehrere Hundert Gesundheitsämter in Deutschland dabei, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen und Ansteckungen nachzuverfolgen. Für die Soldatinnen und Soldaten bringt das neue Aufgaben mit sich. Dabei können sie sich einer Begleitung durch die Militärseelsorge aber sicher sein.

Pfarrer Martin Söffing ist Militärseelsorger in Köln. Foto: Söffing

Aktuell sind nach Angaben der Bundeswehr rund 7800 Soldatinnen und Soldaten in der Amtshilfe bei 288 Gesundheitsämtern und an anderen Stellen aktiv. Weitere Kräfte stehen quasi in Bereitschaft. Wie Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am vergangenen Sonntag gegenüber der ARD erklärte, soll das Kontingent sogar  auf 20.000 Bundeswehrangehörige aufgestockt werden. Die Hauptaufgaben sind Abstriche bei möglichen Infizierten nehmen und am Telefon die Ansteckungsketten nachverfolgen.

Dienst am Telefon statt an der Waffe

Ein Schwerpunkt der Corona-Hilfe der Bundeswehr liegt im Gebiet der rheinischen Kirche. Alleine im Bereich Köln seien (Stand 19. November) etwa 200 Soldatinnen und Soldaten in der Unterstützung der Gesundheitsämter aktiv, berichtet Pfarrer Martin Söffing. Als Militärpfarrer in der Region Köln ist er auch seelsorglicher Ansprechpartner für die Soldatinnen und Soldaten, die aktuell keinen Dienst an der Waffe, sondern am Telefon oder am Wattestäbchen leisten.

Grundausbildung als Grundlage für die Corona-Hilfe

Söffing steht in engem Kontakt zu den Mitgliedern des Militärs und ist sich sicher, dass die Soldatinnen und Soldaten gut auf die Corona-Hilfe vorbereitet sind. Schließlich hätten sich die aktuell Helfenden alle freiwillig gemeldet. „Die Corona-bezogenen Hilfsleistungen stützen sich auf das, was Soldatinnen und Soldaten je nach ihrer Verwendung und regulären Ausbildung schon mitbringen“, sagt Söffing. Viele Soldatinnen und Soldaten hätten durch ihre Arbeit generell ein größeres medizinisches Wissen als etwa Bürgerinnen und Bürger, deren Kenntnisse sich auf den Erste-Hilfe-Kurs beim Führerschein beschränken.

Mitglieder der Bundeswehr nehmen auch Abstriche bei Personen, die möglicherweise mit dem Corona-Virus infiziert sind. Foto: Bundeswehr/Anne Weinrich

Soldatinnen und Soldaten werden mit Sorgen der Bürgerinnen und Bürger konfrontiert

Doch trotz aller Vorbereitungen, stellt sich die Frage: Ergeben sich aus der für viele eher ungewohnten Arbeit nicht auch Probleme oder Sorgen? Und wie können Seelsorgerinnen und Seelsorger helfen? „Wir gehen schon jetzt der Frage nach: Wie entsteht zum Beispiel aus der Arbeit in der Corona-Hilfe Angst. Wer täglich mit Infizierten telefoniert oder diese für Tests trifft, fragt sich vielleicht auch: Könnte das auch einem Freund, einer Freundin oder jemandem aus meiner Familie passieren?“, erklärt Pfarrer Martin Söffing. Diese Angst könne bedrückend wirken. „Aber eigentlich wissen die Soldatinnen und Soldaten, wen sie ansprechen können. Das kann jemand von der Militärseelsorge aber auch aus der Sozialarbeit oder aus der Truppe sein.“

Der Ton wird am Telefon auch mal rauer

Ein mögliches Gesprächsthema könnte dann sein, dass nicht jedes Telefonat nur freundlich verläuft. Soldatinnen und Soldaten werden auch selbst mit den Sorgen der Infizierten oder deren Kontaktpersonen konfrontiert. „Auch wenn der Ton in den Telefonaten gelegentlich rauer wurde, habe die Strategie ‚Mensch sein und im Gespräch mit den Betroffenen zuhören‘ fast immer geholfen“, wird Stabsfeldwebel Nils Voß, Waffensystembearbeiter in der Kölner Luftwaffen-Kaserne, auf der Webseite der Bundeswehr zitiert.

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr helfen aktuell in vielen Gesundheitsämtern aus. Foto: Bundeswehr/Anne Weinrich

Militärseelsorger wünscht sich Aufarbeitung der Krise

Martin Söffing hofft, dass mögliche Konflikte in den Gesprächen oder Diskussion über den Sinn und Unsinn einzelner Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nach dem Ende der akuten Krise aufgearbeitet werden. Das könne im so genannten „lebenskundlichen Unterricht“ passieren.  Der Unterricht, der auch von Militärpfarrerinnen und Militärpfarrern gestaltet wird, findet aufgrund der Pandemie nur sehr eingeschränkt statt.

Wo es Parallelen zwischen Bundeswehr und Kirche gibt

Söffing betont, dass die Corona-Pandemie innerhalb der Bundeswehr sehr ernst genommen werde. Die Hygieneregeln würden streng eingehalten und seien komplett in den Dienstalltag übergegangen. An dieser Stelle sieht Söffing auch eine Verbindung zur Kirche: „Die Parallele sehe ich darin, dass die evangelische Kirche auch sehr um einen ernsten Umgang mit der Pandemie bemüht ist. Sie lebt vor, dass Regeln nötig sind, um die Verbreitung des Virus einzuschränken.“

Hier geht es zu unseren Corona-Sonderseiten mit den aktuellen Empfehlungen zum Umgang mit der Pandemie und den Hygieneregeln.

  • 16.11.2020
  • Aaron Clamann
  • Anne Weinreich